Zur Lage am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg: unqualifizierte Aussagen der politisch Verantwortlichen !!!
Nach dem Rücktritt von Friedrich Schirmer als Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg (hier seine Erklärung auf der Website des Theaters) wird die aktuelle Situation immer unübersichtlicher und leider durch diverse Aussagen verantwortlicher Politiker auch besorgniserregender.
Zunächst einmal hatte Schirmer wohl Zusagen der ehemaligen Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) vertraut, dass eine Etaterhöhung kommen werde, um die seit Jahren von ihm angemahnte Unterfinanzierung des Hauses zu beheben. Unter dem neuen Kultursenator Reinhard Stuth (CDU) kam stattdessen eine Kürzung von 330.000€ im laufenden Haushalt. In Hamburg sind laut Aussage des Geschäftsführers des Thalia Theaters, Ludwig von Otting, in der WELT am SONNTAG (hier) „Bemühenszusagen seit Jahrzehnten oberfaule Ausreden von der Kulturbehörde und Mittel, den Vertragspartnern etwas vorzugaukeln, von dem sie bereits ganz genau wissen, dass es nicht eingehalten wird.“
Vor diesem Hintergrund wird verständlicher, warum der Rücktritt trotz einer – angesichts eines Gesamtetats von knapp 18 Millionen Euro – vergleichsweise geringen Kürzung erfolgte.
Besorgniserregend wird der Vorgang allerdings, wenn man im Vorfeld der heute beginnenden Haushaltsberatungen die Aussagen des Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg im schwarz-grünen Senat Christoph Ahlhaus, des Senators der Behörde für Kultur, Sport und Medien Reinhard Stuth und des Finanzsenators Carsten Frigge (alle CDU) in der Presse liest:
Ahlhaus: „Möglicherweise gibt es auch eine Lösung, die selbst einen Sparbeitrag darstellt, indem man vielleicht gemeinsam Dinge erledigt, die bisher von mehreren erledigt worden sind. (…) Das heißt, dass wir uns anschauen, ob möglicherweise ein Intendant für mehrere Häuser zuständig sein kann.“ (hier auf NDR Info)
Stuth: „Wir müssen uns generell Gedanken machen über die zukünftige Rolle des Schauspielhauses. Die Frage ist, ob es sinnvoll sein könnte, ein anderes Profil zu erarbeiten. (…) Vielleicht könnte das Junge Schauspielhaus gestärkt werden.“ (hier in der WELT)
Frigge: „Müssen wir die Oper bezuschussen? (…) König der Löwen kostet 117 Euro und die Besucher zahlen auch 117 und müssen trotzdem ein halbes Jahr auf Karten warten.“ (hier ein Bericht über die Veranstaltung im Übersee-Club aus der WELT am SONNTAG)
Die Mitarbeiter/innen des Schauspielhauses haben Kultursenator Stuth mittlerweile in einem offenen Brief zur Diskussion aufgefordert, da bisher kein politischer Verantwortlicher das Gespräch mit den Mitarbeitern des Hauses oder ihren gewählten Vertretern gesucht habe – nicht einmal mit denen, die im Augenblick für die Leitung des Hauses verantwortlich seien (hier die Mitteilung auf der Homepage des NDR).
Auch die direkt oder indirekt von den oben zitierten Aussagen Betroffenen haben Stellung bezogen:
Klaus Schumacher (Leiter Junges Schauspielhaus): „Man muss sich klarmachen, was die Räume hergeben. Es gibt nur ganz wenige Vorstellungen des Kinder- und Jugendtheaters, die im großen Haus funktionieren.“
Joachim Lux (Intendant Thalia-Theater): „Erstes Ziel muss sein, zwei starke, konkurrierende Schauspielhäuser mit festen Ensembles zu behalten. Das geht am besten mit zwei unterschiedlichen Leitungen. (…) Eines muss man offenbar in das Bewusstsein der Stadt hineinhämmern: Über dem Theater steht ‚Deutsches Schauspielhaus‘ – es ist ein Hamburger Flaggschiff mit dem Anspruch eines Nationaltheaters. Sollte es am Schauspielhaus ein völlig anderes Profil geben, gäbe es keine echte Konkurrenz zum Thalia Theater mehr.“ (beide hier in der WELT)
Ludwig von Otting (Geschäftsführer Thalia Theater): „Das hat nichts mit Kulturpolitik zu tun, das ist reine Geldverteilungspolitik, verbrämt mit der Behauptung, man wolle neue Konzepte finden. Da es sowieso nur ums Sparen geht, kann man doch die Positionen von Finanzsenator und Kultursenator zusammenlegen.“ (hier in der WELT)
Olaf Scholz (SPD-Landesvorsitzender): „Das Schauspielhaus ist das erste große Opfer des verschwenderischen Umgangs mit Steuermitteln beim Bau der Elbphilharmonie.“ (hier in der WELT)
Letzteres ist dick zu unterstreichen, hieß es doch immer, die Kosten der Elbphilharmonie seien zukünftig keine Bedrohung für die bestehenden Kultureinrichtungen. Der Autor Stefan Grund merkt in der sehr treffenden Glosse für die WELT „Hamburger Theater“ ebenfalls sehr richtig an: „Auch wird die in der Politik gepflegte Formel, die Elbphilharmonie ginge nicht zu Lasten anderer Kulturangebote, immer unglaubwürdiger. Dabei geht es gar nicht um die 323 Millionen Euro Bauzuschuss, sondern um Millionen Euro Programmgelder, die schon jetzt, ohne Konzertsaal, jährlich ausgegeben werden – obwohl 250 000 Euro für das notleidende Schauspielhaus angeblich nicht mehr vorhanden sind.“
Ein Video mit Interviews gibt es hier auf dem Lokalsender Hamburg 1.
Man kann sich der Aussage von Ludwig von Otting nur anschließen: „Da muss einer einen rostigen Nagel im Hirn haben.“
Nicht nur einer, sondern gleich mehrere.
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